It’s fascism, stupid! (2) – Wer’s glaubt wird dusselig

Edward Bernays1), der vielen als Urvater der Public Relations gilt, schrieb in seiner Autobiographie, Joseph Goebbels habe sein Buch „Crystallizing Public Opinion“ benutzt, um die antijüdische Propaganda im nationalsozialistischen Deutschland zu entwickeln. [1] „Ich wusste, dass jedes menschliche Tun für soziale Zwecke eingesetzt oder für asoziale Zwecke missbraucht werden kann. Es ist offensichtlich, dass die Aggression gegen die Juden in Deutschland keineswegs ein emotionaler Ausbruch der Nazis war, sondern eine wohl durchdachte, geplante Kampagne.“ [2]

Diese Form asozialer Missbrauchskampagnen ist seit einigen Jahren wieder sehr in Mode. Vielleicht waren sie es ja immer. Erstaunlich ist nur, dass so viele Leute gegen diese Art des Beeinflussung wenig Immunität aufweisen – und das trotz unserer Erfahrungen in zwei totalitären Systemen des letzten Jahrhunderts. Liegt es an mangelnder Medienkompetenz oder am deutschen Untertanengeist? Oder weil, wie Katy Pracher-Hilander2) meint, „der Mensch ein psychologisches Wesen [ist], d. h. die psychologischen Mechanismen, die greifen. Die greifen immer. Die haben schon vor fünfhunderttausend Jahren gegriffen, sie haben vor achtzig Jahren gegriffen, sie greifen heute und sie werden noch in hundert Jahren greifen.“ [3]

Irgendwann letztes Jahr las ich einen Kommentar, in welchem der Forent von einer Dunja Hayali3) ganz hingerissen schien und sie ein Opfer „feiger, intoleranter, dummer Menschen“ nannte. Von dieser Frau hatte ich zwar schon gehört, aber noch nichts gesehen und mir deshalb das im Kommentar erwähnte Video von ihr in der Mediathek herausgesucht. Mein Eindruck: Ein Opfer ist diese Dame mit Sicherheit nicht.

Natürlich wäre dieser Kommentarschreiber gar nicht der Rede wert, wäre er ein Einzelfall. Ich sehe in ihm und Frau Hayali allerdings so etwas wie „Prototypen“: Der Forent als Vertreter all jener Medienkonsumenten, die bereitwillig glauben, was ihnen verschiedene ÖR-Sender präsentieren, und Hayali stellvertretend für viele Medienschaffende, die die mediale Unbedarftheit und Inkompetenz ihres Publikums gnadenlos ausnutzen.

Damit sie doch noch zu irgendetwas nütze ist, vergleichen wir einfach mal den Beitrag der oben erwähnte Dunja Hayali über die erste große Querdenker-Demonstration in Berlin am 1. August 2020 mit einem Bericht über dieselbe Veranstaltung von der Journalistin Gaby Weber4). Letztere kam übrigens auch ohne extra Kamera- und Security-Team gut zurecht.

Beitrag des ZDF

Beitrag von Gaby Weber

Das ganze Video gibt’s hier.

Das ganze Video gibt’s hier.

1. Einleitung

Der Film beginnt mit sehr kurz geschnittenen Gesprächen mit Demonstranten, gefolgt von einem Eingangsstatement. Das angedeutete Verständnis für einige Demo-Teilnehmer dient zum Aufbau einer „Fallhöhe“. Das ist ein uralter Drehbuch-Trick zur Erzeugung eines Spannungsbogens. Damit der Zuschauer aber nicht versehentlich auf die Idee kommt, hier liefen ganz normale Leute herum, weist Hayali darauf hin, dass da auch „echt krudes Zeug“ dabei sei.

1. Einleitung

Zu Beginn schildert Weber zusammenfassend ihre Eindrücke von der Demonstration. Auf abwertende  Kommentare wird verzichtet. Beim Schnitt beschränkt sich die Autorin lediglich auf das Weglassen unwesentlicher Passagen. Eine weitere Kommentierung der Inhalte findet nicht statt.

2. Darstellung der Demo-Teilnehmer

2. Darstellung der Demo-Teilnehmer

Viele Bilder von sonderbaren oder unsympathisch wirkenden Personen, z.B. mit Unterhose auf dem Kopf, Nackedeis, Personen in Verkleidungen etc.

Die meisten der befragten Maßnahmen-Gegner bekommen nur wenige Sekunden um ihr Anliegen zu erläutern. Das ist fast schon eine Garantie dafür, Leute in ein unvorteilhaftes Licht zu rücken. (Auch eine beliebte Methode in Satire-Sendungen).

Die Bilder zeigen eine bunte, sehr heterogene Menschenmenge. Auf die Hervorhebung einzelner skurriler Typen wird verzichtet.


Die Befragten erhalten genügend Zeit, ihre Ansichten zu erklären. Viele der Interviewpartner wirken sympathisch und man kann ihre Motive verstehen, auch wenn man sie selbst nicht teilt.

3. Bewertungsvorgaben

Es wird folgender Text eingeblendet:

Die manipulative Absicht erkennt man an der wertenden Wortwahl und Hervorhebungen, z. B. dem Wort „sogenannten“ sowie an der Überbetonung der Nichtbeachtung von Hygieneregeln (im Freien!).

3. Deskriptive Aussagen

Aus Webers Eingangsstatement:

„Da ist die Mehrheit, die einmal aus dem Grünen-Spektrum kam und sich heute als politisch heimatlos betrachtet und nach radikaldemokratischen Lösungen sucht. […] Also links-offen und explizit nicht rechts.

In der zweiten Gruppe sind viele, die reale Existenzängste auf die Straße getrieben hat (sic!). Freiberufler, Arbeitslose, Leute, die nicht an jedem Ersten des Monats automatisch ihr Geld bekommen. Sie fühlen sich nicht gehört und belogen. Sie bezeichnen sich selbst als unpolitisch und sind offen für die AfD, oder für linke Vorschläge, falls diese denn mal kommen würden.“

Nach ihrer Eingangsbeschreibung unterlässt Weber jeglichen weiteren Kommentar und verzichtet auf Einblendungen. Sie vertraut der Urteilsfähigkeit ihrer Zuschauer.

4. Darstellung der Demo-Gegner

Im Gegensatz zu der überwiegend negativen Darstellung der Demo-Teilnehmer wird der  Zaungast wertschätzend dargestellt. Er erfüllt die  Rolle des „vernünftigen Staatsbürgers“ und wirkt „gebrieft“. Das erkennt man daran, dass er wesentlich mehr Zeit für seine Aussagen bekommt, sich als erstes von den Demo-Teilnehmern distanziert und typische, ideologische Kampfbegriffe wie „Verschwörungstheoretiker“, „Neonazis“ und „Querfront“ in einem Satz unterbringt. Jemand, der zufällig und unvermittelt ein Mikro vor‘s Gesicht gehalten bekommt, spricht normalerweise anders.

4. Darstellung der Demo-Gegner

Demo_Weber_04

Keine/r der von Weber Befragten wirkt speziell ausgewählt oder angeleitet.

Weber in ihrem Eingangsstatement über die Gegendemonstrantionen:

„Am Straßenrand zu stehen und ‚Nazis raus!‘ zu rufen, oder bei schönstem Wetter mit Maske auf dem Fahrrad ‚Masken an!‘ zu brüllen bringt da wenig und verhindert jede Diskussion.“

Die Gegner der Demo „waren, wie die Bilder zeigen, nur eine Handvoll. Wenn die großen Medien also von mehreren Gegendemonstrationen berichten, vermitteln sie einen falschen Eindruck.“

5. Dramaturgische Steigerung

Hayali und ihr Team stürzen sich in die Menge, entgegen der Laufrichtung des Demonstrationszuges. So wird ein Eindruck körperlicher Bedrängnis vermittelt.

Um die ZDF-Crew herum erschallen „Lügenpresse“-Rufe.

5. Verzicht auf dramaturgische Elemente

Gaby Weber verzichtet auf kalkulierte Szenarien. Verbale oder gar körperlicher Bedrängung sind bei ihr nicht zu erkennen.

Dafür gibt es Gespräche mit vielen, ziemlich normal wirkenden Menschen über ihre Ansichten, Motive und z. T. erschütternden Erfahrungen in Folge der Corona-Maßnahmen.

6. Eskalation

Es wird eine Gewaltbereitschaft der Demonstranten suggeriert.

Hayali: „So, wir haben den Dreh abgebrochen, weil die Situation einfach zu gefährlich geworden ist. Man kann anderer Meinung sein, aber man greift niemanden an …“.

Bilder, die tätliche Angriffe oder sonstige Bedrohung bestätigen würden, bleibt uns Hayali allerdings schuldig.

6. Durchgehend beobachtende Berichterstattung

Gefährlich für Journalisten war die Situation ganz offensichtlich zu keinem Zeitpunkt.

7. Resümee

Der ZDF-Beitrag ist eine Abfolge dramaturgisch inszenierter Szenen mit Bewertungsanweisungen. Die durchgehende „Einordnung“ mittels Einblendungen oder Kommentierungen zeigt, dass das ZDF dem Zuschauer eine eigenständige Interpretation nicht zutraut.

 

Im Nachgang betrachtet steht der hier vermittelte Eindruck in großem Gegensatz zu vielen Aussagen von Menschen, die selbst an der Demo teilgenommen oder diese beobachtet haben.

7. Resümee

Gaby Weber schildert ihre Eindrücke von der Demonstration nur zu Beginn des Videos, zusammen mit einigen übergeordneten Informationen, z. B. zur Anzahl der Teilnehmer. Eine Inszenierung oder Szenenauswahl „nach Drehbuch“ findet nicht statt. Abgesehen von ihrem Eingangsstatement verzichtet Weber auf weitere Kommentierungen und überlässt die Interpretation des Gesehenen und Gehörten dem Zuschauer.

Im nachträglichen Vergleich entsprechen Webers Aussagen und Bilder den Schilderungen von anderen Menschen, die selbst an der Demo teilgenommen oder diese beobachtet haben.

Mag der Leser selbst entscheiden, welcher der beiden Beiträge das realistischere Bild  vermittelt.

Aber mittlerweile wissen wir ja:

It’s not a bug, it’s a feature

1) Edward Bernays, 1891 – 1995, Begründer der modernen Theorie der Propaganda

2) Katayun Pracher-Hilander, Dipl. Psychologin, Schwerpunkte: Wirtschafts- und Sozialpsychologin, Gründerin des Büros für Angewandte Psychologie in Wirtschaft & Politik mit Spezialisierung auf evidenzbasiertes Management und Entscheidungsfindung

3) Dunja Hayali, Journalistin und Fernsehmoderatorin, seit 2007 arbeitet sie für das ZDF

4) Gaby Weber, Journalistin und Publizistin, Mitgründerin der taz, seit 1986 freie Korrespondentin. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind u. a. Südamerika, deutsch-lateinamerikanische Beziehungen und wirtschaftspolitische Themen.

[1] Wikipedia, Edward Bernays / Einfluss auf Joseph Goebbels, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Bernays#cite_note-19

[2]  Eigene Übersetzung. Originalzitat aus: Larry Tye, „The Father of Spin: Edward L. Bernays and the Burth of Public Relations, St. Martins Press-3PL; Reprint Edition, 2002, S. 111

„But I knew any human activity can be used for social purposes or misused for antisocial ones. Obviously the attack on the Jews of Germany was no emotional outburst of the Nazis, but a deliberate, planned campaign.“

[3] Transkribiert aus „Ist der Mensch zu DUMM um aus der Geschichte zu lernen? (Katy Pracher-Hilander), RPP Institut, aufrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=WM1e0n6HbNs

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